Uelvesbüll


plattdeutsch: Ülfsbül

dänisch: Ylvesbøl

 

Die dörfliche Gemeinde DE-25889 Uelvesbüll liegt im Amt Nordsee-Treene, Kreis Nordfriesland.

 

Lage: 54°25'00.70"N, 8°55'13.20"E (Sankt-Nikolai-Kirche), Karte:

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Familienforschung

Kirchenbücher (i.d.R. nur vor 1876): Uelvesbüll ist Teil der eigenständigen Kirchengemeinde St. Nikolai Witzwort-Uelvesbüll und gehört innerhalb der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche zum Kirchenkreis Nordfriesland (vor der Kirchenkreisfusion Kirchenkreis Eiderstedt). Das zuständige Kirchenbuchamt ist das Bereichsarchiv Eiderstedt - Kirchenbuchamt - in Garding.
Näheres hierzu und zu standesamtlichen Urkunden (ab 01.01.1876) siehe Erläuterungen, Quellen, Verweise.

Ortschronik: Helmut Hess, Chronik von Uelvesbüll, Gemeinde Uelvesbüll, 1985

 

Aus der Ortsgeschichte

Nennungen: Laur 1): 1352 Ulvesboll, 1447 to Vluesbul; Jensen 2): "Uelvesbüll oder Ulvesbüll" und 1523 Ulvesbyl; Lesser 3): Uelvesbüll, "Ulvesbüll (vormals Ulfsbull)".

 

Laur 1) erklärt den Ortsnamen als eine Bildung aus dem Personennamen Wölfert, Ölfert, Ülfert (= Wulf, Ulf, "Wolf") und büll = Siedlung, also etwa Ulfs Siedlung.

 

Uelvesbüll liegt am nordöstlichen Ende der alten Marscheninsel Eiderstedt (vgl. Poppenbüll) am Heverstrom. Diese 'hohe Marsch' des nördlichen Eiderstedts entstand ab etwa 1000 n. Chr. durch das Vordringen des Meeres, das ältere Moorgebiete bei Überschwemmungen mit Sedimenten bedeckte und so eine junge Seemarsch schuf. Besiedelt wurde diese ab dem 12. Jahrhundert 4)  und bereits in dieser Zeit wurden erste niedrige Sommerdeiche aufgeschüttet, die das Wirtschaftsland nun vor Hochwasser schützen sollten. Die Höfe der Siedler standen auf höheren künstlichen Hügeln, den Warften, vgl. Nickelswarft, die auch Schutz vor Sturmfluten boten. Uelvesbüll liegt auf solchen Warften, die bis in die Zeit der ersten Besiedlung zurückreichen dürften. Genau genommen liegt der Ort auf einer Warftenkette, die sich von der Kirchwarft im Westen am Kirchspielsweg entlang bis zu einem natürlichen, etwa drei Kilometer östlich gelegenen Sandwall erstreckt. Unweit nördlich dieser Linie erhebt sich der alte Porrendeich. Er markiert das Ufer der hohen Marsch. Nördlich von ihm zweigte früher vom Heverstrom ein Arm der so genannten Nordereider ab. Diese war wahrscheinlich in der ersten, der aldergröthesten Mandrenke 5), der verheerenden Sturmflut des Jahres 1362, entstanden und trennte Eiderstedt über ein Jahrhundert lang vom Festland.

 

Es wird angenommen, dass Uelvesbüll im 13. Jahrhundert gegründet wurde und bereits vor 1300 eine erste Kirche besaß. Sie soll damals allerdings etwa zwei Kilometer weiter nordwestlich am noch schmalen Heverstrom gestanden haben, wie Johannes Mejers 'Landcarte von Eyderstede Eveschop un Uthholm' von 1648 zeigt: Dort ist 'Olt Ulueßbull' eingezeichnet, mitten im heutigen Watt. Alt-Uelvesbüll gehörte kirchlich nicht, wie man annehmen könnte, zur Propstei Eiderstedt, sondern zur alten Propstei Strand, von deren Landfläche heute im Wesentlichen nur noch die Inseln Nordstrand und Pellworm übrig sind. Leider gibt es über den Zeitpunkt des Umzugs der Kirche nach Osten keine Zeugnisse. Lediglich die mündliche Überlieferung weiß noch, dass die erste Kirche durch eine Sturmflut beschädigt wurde, aber noch eine Zeit lang benutzt werden konnte 6). Vielleicht gehörte sie neben dem prominenten Rungholt zu den 30 Strander Kirchen und  Kirchspielen, die nach der Schleswiger Chronik in der ersten, der aldergröthesten Mandrenke von 1362 untergingen. Vielleicht war es aber auch eine frühere Flut. Nach dem Umzug gehörte der Ort jedenfalls politisch zur Harde Everschop (siehe Poppenbüll).

 

Ein solcher Rückzug vor dem langsam steigenden Pegel der Nordsee ist auf der Website der benachbarten extern> Gemeinde Simonsberg anschaulich dargestellt. Simonsberg lag nördlich des Nordereiderarmes und musste seine Kirche drei Mal nach Süden versetzen. Kurioser Weise steht die heutige Kirche von 1829, wie auch der berühmte Rote Haubarg, im 1579 eingedeichten Adolfskoog, einem Gebiet der mittlerweile vollständig trocken gelegten Nordereider. Den Auftakt für die Flucht Simonsbergs vor der Nordsee machte die Allerheiligenflut vom 31. Oktober auf den 1. November 1532 (siehe auch Klixbüll, Tielen und den Beitrag zum Binnenhochwasser unter Meggerkoog), die auch in Uelvesbüll noch heute sichtbare Spuren hinterlassen hat. Sie durchbrach den Porrendeich und spülte die westliche und größte der vier Wehlen im Porrendeich aus. Sie hat eine Fläche von einem Hektar und ist noch heute fünfeinhalb Meter tief.


Die größte Wehle im Porrendeich bei Uelvesbüll, verursacht durch die Große Flut vom 31. Oktober auf den 1. November 1532. Foto vom 15. Juli 2013.

Die drei weiteren Wehlen entstanden 1561: "Anno 1561 den 27 Jul. ist die See bey Westerhever und Ulffsbull eingebrochen / und sind in Ulffesbull drey Wehlen gemacht worden / dazu ist in den Kirchspielen Coldenbüttel / Witzwort und Ulffesbull alles geschnittene Korn und Heu weggetrieben." 7)

An der verbogenen Deichlinie ist gut zu erkennen, dass die Wehlen aus- bzw. eingedeicht werden mussten; sie zuzuschütten war schon mangels Materials unmöglich. Zudem war Eile geboten: Mit der Reparatur eines im Herbst gebrochenen Deiches konnte nicht bis zum Frühling gewartet werden, denn da wurde jede Hand auf den Feldern gebraucht.

Nicht zuletzt wäre ein offener Deich zu riskant gewesen. Karte des Porrendeiches:

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Die Häufung von Deichbrüchen an dieser Stelle hing mit der zunehmenden Gewinnung von Kögen in der Nordereider, wie kurz zuvor durch die Eindeichung des Obbenskooges, 1565, zusammen. Sie nahm dem Meer Flutraum, wodurch die Flut höher auflief. Herzog Adolf von Gottorf ordnete deshalb an, den nach ihm benannten Koog nördlich des Porrendeiches einzudeichen, wodurch letzterer in die zweite Deichlinie rücken sollte. Der Bau des neuen Deiches, bei dem neben anderen auch Hattstedter Bürger halfen, war schwierig, weil er über das schlickige Tief der Nordereider geführt werden musste, das das Gewicht des Deiches erst nach aufwändiger Schaffung eines Deichfundamentes aus Faschinen tragen konnte 8). Die Überdämmung des Tiefs gelang 1578. Dass Herzog Adolf hierbei anwesend war, dürfte die Schwierigkeit des Vorhabens unterstreichen 9). Der Deich blieb jedoch unsicher. Bereits im Jahr seiner Erbauung brach er das erste Mal, 1625 musste sein nördlicher Teil sogar ein Stück zurückversetzt werden. Ein sichtbarer Beleg für den Kampf um den Deich ist das heutige Naturschutzgebiet Wester-Spätinge. Es entstand durch Aushub von Material, das für Deichreparaturen benötigt wurde. Dass dies nur im nördlichen Teil des Adolfskooges geschah, ist kein Zufall. Denn die am Deichbau beteiligten Ortschaften auf der Nordseite des Nordereidertiefs, darunter Simonsberg, hatten dem Herzog das Material für das Faschinenfundament des Deiches bezahlt und durften daher den neu gewonnenen Koog nun nutzen. Den südlichen Teil des Kooges behielt der Herzog dagegen für sich, weil die hier beteiligten Gemeinden Uelvesbüll, Witzwort und Koldenbüttel das Geld nicht aufgebracht hatten. Sie mussten sich benötigtes Reparaturmaterial anderswo beschaffen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts beschloss man, den Deich durch eine vorgesetzte, im Deichkörper verankerte Bohlenwand zu stabilisieren. Er wurde also vorübergehend zu einem Stackdeich umgebaut. Stackdeiche galten in jener Zeit als höchste Deichbaukunst und ab der Mitte des 16. Jahrhunderts musste das benötigte Bauholz sogar aus Norwegen importiert werden, nachdem der Deichbau Schleswig-Holstein weitgehend entwaldet hatte. Aber Stackdeiche boten dem Schlag der Wellen nur begrenzt Widerstand und mussten häufig repariert werden. Die Wissenschaft hat diesen Deichtyp später als per se unhaltbar und verloren eingestuft.

1994 wurde vor diesem Deich bei Uelvesbüll das Wrack eines Frachtseglers aus dem 16. Jahrhundert gefunden. Es konnte geborgen und konserviert werden und ist im Husumer Schifffahrtsmuseum zu besichtigen 8). Nach dem archäologischen Befund war das Schiff manövrierunfähig hart gegen den vordeichlosen Stackdeich geprallt und dabei leck geschlagen 8).

 

Die Uelvesbüller Kirche stand bis 1935 unmittelbar am Außendeich. Mit der Eindeichung des Uelvesbüller Kooges, 1935 9), rückte dann der alte Seedeich in die zweite Deichlinie. Der neue Seedeich hatte zwar ein moderneres Profil, genügte aber dennoch den inzwischen unerkannt gestiegenen Anforderungen nicht. Er brach während der Zweiten Julianenflut, die in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 mit den höchsten bis dahin gemessenen Pegelständen gegen die Nordseeküste brandete, und die zum Überdenken der bisherigen Küstenschutzmaßnahmen zwang. Opfer waren, anders als insbesondere in Hamburg, in Uelvesbüll nicht zu beklagen gewesen.

 

Die heute auf der Kirchwarft stehende Sankt-Nikolai-Kirche ist eine 1854 im klassizistisch-neugotischen Stil errichtete Backstein-Saalkirche, die im Innern 1957 - 1963 modernisiert wurde.

 

St. Nikolai zu Uelvesbüll, Fotos vom 15. Juli 2013

Die Innenausstat- tung der Kirche stammt wohl aus dem 1853 wegen Baufälligkeit abge- brochenen, 1491 erstmals urkundlich genannten Vorgängerbau: Altar-Figuren spätgotisch, um 1520. Taufe spätgotisch, schwarzer Marmor, Import aus Namur, 109 cm hoch, 15. Jahrhundert. Altar-Lesepult spätgotisch, Taufdeckel 1762, Kanzel 1672, Kreuzgruppe Anfang 16. Jahrhundert, Epitaph 1591, Abendmahlsbänke 1707. Grabsteine an der Kirchenaußenmauer: Thomas Petersen Kirchenbaumeister 1725 und Rantz Abrahamsen (Berufsangabe: Baumeister) 1741; außen: Broders/Hans † 1695/1717 und Broders/Hans † 1708; am Haubarg Leutnantshof: Hans † 1614. 10)
Die Kirchenglocke von 1568 befindet sich als Leihgabe im Alten- und Pflegeheim Garding (1999). Der Vorgängerbau soll eine Kirchentür von Rungholt (Nordstrand) gehabt haben und ihm soll 1532, vermutlich während der Orkanflut, das Sparrwerk heruntergeweht sein (Jensen 2)).

Jensen 2) gibt die Größe des Kirchdorfs Uelvesbüll mit 18 verstreut liegenden Haubargen und 58 Häusern an und beziffert seine Einwohnerzahl (1835) auf 491 Menschen. Dazu zählt er im 1696 9) eingedeichten Norder-Friedrichs-Koog 95 Einwohner hinzu, sodass das zur Propstei Eiderstedt zählende Kirchspiel auf insgesamt 100 Wohnstellen mit 586 Menschen kommt. Außerdem erwähnt er die Schule des Küsters mit 130 Kindern.

 

Lesser 3) bezeichnet die Schule des administrativ der Landschaft Eiderstedt zugehörigen Kirchspiels Uelvesbüll als Distriktschule und erwähnt weiter 1 Mühle und 3 Wirtshäuser. Zur Größe gibt er ebenfalls 100 Wohnhäuser an, darunter 12 Haubarge, mit 622 Einwohnern in 122 Familien, von denen 115 Menschen bzw. 18 Familien im Norder-Friedrichs-Koog leben. Letzterer bildet laut Lesser einen eigenen Armendistrikt, sodass das Kirchspiel Uelvesbüll im Unterschied zu allen anderen Kirchspielen der Landschaft Eiderstedt nicht nur aus einem, sondern aus zwei Armendistrikten besteht. Als zum Kirchspiel gehörig nennt er: den 1579 9) eingedeichten Adolphskoog (teilweise), den um 1400 9) eingedeichten Haimoorkoog (teilweise, bei ihm Haimerkoog), den 1696 9) eingedeichten Norderfriedrichskoog, die Siedlung Barnekemoor (Barneker Moor) und die ehemaligen Halligen Groß- und Klein-Winkel.

 

Am 01.12.1910 hatte Uelvesbüll 320 Einwohner (1767 547, 1860 484, 1961 379, gegenwärtig bei 270).

 

Verwechslungsmöglichkeiten, Orte gleichen oder ähnlichen Namens

Internetrecherche: Ähnliche Ortsnamen finden sich in Schweden (Ulvsboda, Ulvsbo, Ulvsby) und Finnland (Ulvsby).

 

Ortsverzeichnisse, Schleswig-Holstein: Laur 1) nennt DE-24860 Uelsby (Ülsby 1441 Vlsbu) und DE-25899 Niebüll-Uhlebüll (1609 Ulebüll). Lesser 3) ergänzt Laur um das Dorf Ulsbyeholz westlich von Uelsby, im Übrigen haben alle bei ihm und von Schröder 11) aufgelisteten Orte, deren Namen mit Ulf- beginnen, keinen Bezug zu Uelvesbüll. Unter 'Olf' findet sich in allen Verzeichnissen nichts.

 

 

Quellen und Literatur

1) Wolfgang Laur, Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein. Gottorfer Schriften VIII der Arbeitsgemeinschaft für Landes- und Volkstumsforschung Schleswig, Schleswig 1967

2) Hans Nicolai Andreas Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Band 2, Flensburg 1841

3) Wilhelm Lesser, Topographie des Herzogthums Schleswig, Band 2, Kiel 1853

4) www.kuestenarchaeologie.de 

5) Johannes Jasper: Chronicon Eiderostadense vulgare - oder die gemeine Eiderstedtische Chronik 1105 - 1547, St. Peter-Ording 1977

6) Helmut Hess, Uelvesbüll, in: Blick über Eiderstedt - Beiträge zur Geschichte, Kultur und Natur einer Landschaft, Band 2, Heide 1969

7) CLIMDAT: Klima - Umwelt - Mensch (1500-1800)

8) Hans Joachim Kühn, Gestrandet bei Uelvesbüll - Wrackarchäologie in Nordfriesland, Husum 1999

9) Harry Kunz / Albert Panten, Die Köge Nordfrieslands, Nordfriisk Instituut, Bredstedt 1997

10) Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1982

11) Johannes von Schröder, Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek, Oldenburg (in Holstein), Band 2, 1841